Artikel von „Maevan“ 15

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  • "Die meisten von uns Sterblichen lernen ihr wirkliches Schicksal nie kennen; wir werden ganz einfach von ihm überrollt.
    Wenn wir dann den Kopf heben und sehen, wie es sich auf der Straße entfernt, ist es schon zu spät, und den Rest des
    Weges müssen wir im Straßengraben dessen zurücklegen, was unsere Bestimmung gewesen sein könnte. Die Hoffnung
    ist nichts weiter als der Glaube, dass dieser Moment noch nicht gekommen ist, dass es uns gelingt, unser wirkliches
    Schicksal zu sehen, wenn es heranrückt. Dass wir die Chance ergreifen, wir selbst zu werden, statt dazu verdammt
    zu sein, leer zu leben und uns nach dem zu sehnen, was hätte sein müssen ... und nie war."

    (Alice und die Scharlachkönigin, fünftes Kapitel, "Schicksal")

    ***

    Die blaue, schattige Morgendämmerung des calpheonischen Spätsommers setzte ein, die einen der herannahenden Kälte trotzen lässt und zu ziellosem Flanieren auf dem hellen Kopfsteinpflaster des Adelsviertels einlud.
    Eine samtene Sonne überzog die Straßen mit
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  • "The royal circlet of bright gold rests lightly on my brow
    I once thought only of the rights this circlet would endow
    But once I took the crown to which I had been schooled and bred

    I found it heavy on the heart, though light upon the head."

    ~*~
    [META-WISSEN]

    Der blasse Sternenhimmel spannte einen silbernen Schleier über die wenigen Bäume, die sich wagten, über die Gärten des Chateaux Deveroux empor zu ragen.
    Die Luft war erfüllt von schwerem Blütenduft und dem Stimmgewirr der vielen Gartenbesucher, und Medikus Dumas dachte, dass in einem Bienenstock zu leben
    sich wohl so anfühlen müsse. Er lächelte sanft und auch, wenn die meisten seiner Tage mittlerweile im Nebel der Altersdemenz an ihm vorüber zogen, erfreute
    er sich am Anblick jeder einzelnen Blüte, wenn er am Arm seiner jungen Enkelin Nora an ihnen vorüber schritt. Sie ein einfältiges aber sehr liebenswürdiges
    Mädchen, das ihm seine Launen nie übel nahm und ihm verzieh, wenn er tagelang nicht mehr wusste, wer sie war.
    Er war
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  • "I'm scared of what's inside my head, what's inside my soul.
    I feel like I'm running but getting nowhere . . ."

    Die Wolken hingen tief am Himmel, und die Straßen des Adelsviertels schmachteten in der ersten, warmen Lagune des Frühlingsdunstes. Unter dunklen, feuchten Wimpern
    beobachtete Lavellan schweigend, wie eine Gruppe junger Frauen, bewacht von der militärischen Aufmerksamkeit einer Gouvernante, die Straße, die an das Anwesen der
    Familie Carvain grenzte, überquerte. Ihre Münder bewegten sich lautlos im angeregten Gespräch. Lavellan schloss die Augen und ließ sich zurück in das warme Wasser der
    bis zum Rand angefüllten Wanne sinken, während glitzernde Wasserperlen die Linie ihrer Schultern und am kantig konturierten Schlüsselbein hinab flossen, lehnte Rücken
    und Schulterblätter an. Sie verharrte kurz in dieser Position, atmete dann tief ein und ließ sich am Porzellanrand der Wanne vollständig hinab ins Badewasser gleiten. Einem
    zarten Wirbel aus tintenschwarzen Schemen
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  • "Wie viele Leben leben wir?
    Wie viele Tode sterben wir?
    Es heißt, wir alle verlieren 21 Gramm genau
    in dem Moment, in dem wir sterben.
    Jeder von uns.

    Wie viel sind 21 Gramm?
    Wie viel geht verloren?

    21 Gramm.
    Das Gewicht von fünf Kupfermünzen.
    Das Gewicht eines Kolibris.
    Wie viel wiegt Leben?"

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    "Und in den heiligen Schriften steht geschrieben, dass Mord, Lüge, Diebstahl und alle Arten sündigen Verhaltens der Ausdruck der sündigen Natur
    des Menschen sind, und nicht die Natur des Gottes selbst. Elion ist unbestritten heilig und gerecht.

    Denn Elion hat nicht die Welt erschaffen, sie mit Menschen und Lebewesen bevölkert, um sie dann ihrem Schicksal und sich selbst zu überlassen.
    Elion hat einen Plan und eine Absicht für die Menschen, die er über die Jahrtausende hinweg umsetzt. Jede Entscheidung einer jeden Person über
    die Geschichte hinweg
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  • "Wer ist wirklich frei? Derjenige, der keine Angst hat, etwas zu verlieren... oder derjenige, der tatsächlich nichts zu verlieren hat?"
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    Sie erinnerte sich stets, zu welchen Gelegenheiten sie die zweifelhafte Ehre ereilte, Damaris in die Kerker Calpheons begleiten zu dürfen.
    Die letzten Wintertage rieselten in eisigen, feinen Regentropfen über die goldene Stadt dahin, auf der ein aschfarbener Himmel lastete und
    zartes, dunstiges Sonnenlicht auf die hell gepflasterten Straßen filterte. Die Stadt reckte und streckte sich und legte nur schwerfällig ihr
    blasses Nachtgewand ab. Lavellan hielt sich eng an Damaris' Seite, als sie gemeinsam in die Dunkelheit der Kerker eintauchten, hinein in
    die schreiende Stille von Tod und Verzweiflung, die Lavellan noch immer und in all der Zeit weder mit Worten noch Gedanken zum Verstummen
    zu bringen gelernt hatte. Es war kalt und
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  • Die Sonne stand bereits hoch, als die beiden Kinder über den hellgrünen, gepflegten Rasen liefen, weit hinaus,
    weit hinein in die Verwinkelungen und Verflechtungen des üppig gepflegten Gartens, der das Anwesen der
    Familie umgab. Die Liebe zur Natur, zur gezähmten Natur, spiegelte sich in den großen Rosenbüschen, den
    bunten Stauden und gestutzten Hecken wieder. Weit im Süden, in einem Bereich, der vom Haus aus nicht
    besonders gut einsehbar war, stand ein alter Kirschbaum, dessen Tage schon gezählt waren. Bald würde man
    ihn fällen müssen, da er bereits jetzt seine Äste zu weit über die Mauern des Gartens streckte und im Spät-
    sommer Kirschen auf der Straße verlor, die von Pferdekutschen zerquetscht wurden und rot aufplatzten.

    "Mama hat heute Abend wieder Gäste, es wird grauenhaft. All die Onkel und die Tanten kommen her."
    Calvaras seufzte und kam zuerst am Kirschbaum an und tastete mit seiner Hand nach der kühlen Rinde
    Es war erst Juni, Anfang des Sommers, aber schon jetzt sehr warm.… [Weiterlesen]
  • "Denn das Leben aller Menschen ist Elion anvertraut, und jeder Mensch ist sein Besitz allein.
    Kein Mensch hat das Recht, sein eigenes Leben zu nehmen und so dem Herrn vorzugreifen.
    Gleichzeitig allerdings weicht ein Gläubiger dem Tod nicht mit aller Macht aus -
    so wird er schließlich danach zu Elion selbst gelangen und hat nichts zu fürchten.

    Wer sein Leben wahrhaft Elion gewidmet und nach seinen Prinzipien gelebt hat,
    der darf sich auf ein besseres Leben nach dem Tode freuen."


    Konzentriert hob Lavellan den Federkiel vom Pergament, betrachtete die in dunkler Tinte verewigte Zeilen und streckte den Arm aus,
    tauchte den Kiel erneut in das Fässchen, dass ihre Angestellten im Büro stets und ohne Aufforderung frisch und befüllt hielten. Die
    Tinte gab direkt nach, als der Kiel in ihr versank und sich einen Wimpernschlag danach wieder anhob. Sorgfältig setzte sie den
    Kiel wieder an und begann langsam und präzise die nächsten Worte zu verfassen, Buchstabe für Buchstabe, vorsichtig, es… [Weiterlesen]
  • "Es müssen wirklich dumme Frauen sein, die immer noch auf der Suche nach dem Einen sind."
    "... was meinst du damit?"
    "Es gibt ihn nicht. Den Einen. Ich habe sie alle kennen gelernt, Priester, Händler, Grafen, Schurken, Bauern und sie sind alle gleich.
    Sie sind alle gleich, sie sind alle gleich, sie sind alle..."
    "Valeria. Ist schon gut. Komm her."
    "Ich bin so dumm. Ich bin so schrecklich dumm! Er wird mich hassen. Er wird..."
    "Shhht. Ist schon gut. Manchmal kommen die Dinge anders als man denkt."

    Und Valeria hatte ja nicht geahnt, wie Recht Maelle damit behalten sollte. Die braunhaarige Frau stand am Fenster der kleinen Holzhütte und
    starrte nach draußen, dem aufziehenden Morgen entgegen. Sie lächelte leicht. Es war sicher gut ein halbes Jahr her, seitdem sie Maelle das
    letzte Mal gesehen hatte und der Stich in ihrer Brust, der ihr deutlich machte, wie sehr sie ihre beste Freundin vermisste, wurde täglich stärker.
    Oh Maelle. Manchmal kamen die Dinge wirklich anders als man… [Weiterlesen]
  • Vom 07.12.2016


    Das leise Knarren der Tür der Gaststube im Wirtsbereich ließ Valeria hochschrecken. Sie fuhr sich über die Augen. Sie hatte nicht geschlafen. Sie hatte bestimmt nicht geschlafen.
    Sie wäre nämlich doch irgendwie ganz arm dran, würde sie beim Warten aufs Elionsfest einschlafen.
    Wahrscheinlich hatte sie wirklich nicht geschlafen. Ein Glas Würzwein stand unberührt am Tresen vor ihr.
    Maelle, eine hochgewachsene Frau mit Haut wie aus Marmor und honigfarbenem Haar trat herein. Sie war schlichter gekleidet als sonst,
    trug ein einfaches, dunkelblaues Kleid, einen Mantel, die langen Haare locker im Nacken hochgebunden.
    Valeria betrachtete ihre beste Freundin schweigend; Maelle war sicher im gleichen Alter wie sie, nur ganz wenige, kaum erkennbare Lachfältchen
    zeigten sich um ihre grünen Augen, wenn sie sprach.
    „Da bist du ja.“
    „Natürlich.“, erwiderte Valeria und lächelte flüchtig.
    „Weißt du…“, Maelle zögerte, ehe sie tief Luft holte und ernst nickte, eine Hand in die
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  • Vom 31. August 2016

    Als der Wind sich drehte und eine Welle beißender Kälte durch das halb geöffnete Fenster der kleinen Wohnstube trieb,
    wusste Valeria, dass Amadeus auf dem Weg zu ihr. Bereits schon Stunden vorher war die Dunkelhaarige angespannt auf und ab gegangen,
    hatte aus dem Fenster gestarrt und an ihren Fingerspitzen gespielt, hatte gehofft, Balthasar würde rascher wieder von seinen
    Angelegenheiten zurück sein, wo er doch wusste, wie ungern sie zurzeit alleine war. Wie in der Einsamkeit die Wände fast
    unaufhörlich näher rückten und sie gefangen hielten wie ein Tier in der Falle.
    Das Klopfen war fast lautlos.
    Valeria öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück; sie wusste, es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wäre sie nicht da.
    Amadeus blieb für einige Momente wie ein alter, unverschämt talentierter Schauspieler posierend auf der Schwelle stehen.
    Nachdem er eingetreten war, sich umgesehen und falsche Komplimente gemacht hatte, ließ er sich breitbeinig auf einem der
    Stühle… [Weiterlesen]